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Urlaub mit Hindernissen

Zum Zeitpunkt, als ich diesen Text schreibe, weiß ich noch nicht, ob und wann ich die Chance bekomme, ihn im Internet hochzuladen. Wir haben eine Internetkarte für 3 cuc (etwa 2,60€) bei einem Typen auf der Straße gekauft und können damit für eine Stunde ins öffentliche WLAN. Und öffentlich heißt dabei wirklich öffentlich – die Internet-Hotspots sind allesamt auf öffentlichen Plätzen, wo sich dann halb Kuba zum skypen und Mails schreiben versammelt.
Wir sitzen auf einem Flachdach in Vinalés, einem grünen Tal ganz im Westen Kubas. Hier wird auf roter Erde Tabak und Zuckerrohr angebaut, in den Wäldern wachsen Kiefern und Palmen nebeneinander. Die Kalksteinberge sind voller Wasserfälle und Höhlen – und eben auch voller Touristen. Wir haben eine Casa Particular etwas abseits vom Stadtzentrum gelegen, grün und recht ruhig. Wenn wir morgens frühstücken, frühstücken nebenan beim Nachbarn auch die Schweine und die Kolibris trinken aus der Bananenblüte.
Heute ist unser zweiter Abend, Sam raucht Zigarre – denn dafür ist er nach eigener Aussage hergekommen ins Land des Tabaks – und ich, na ich schreibe. In einer Bar in der Nähe läuft kubanische Musik in Disco-Lautstärke und natürlich lässt „Exorbitantis Summ“ grüßen (Kennt ihr noch nicht? Näheres in unsere Asien-Berichten). Unsere Gastgeber haben gerade Familientreffen und die Nachbarn sind auch alle auf den Beinen. Was soll man auch machen den ganzen Abend, ohne Internet und Fernsehen… Wir fallen halb zehn müde ins Bett und frühstücken freiwillig um acht Uhr. Im Urlaub! Eigentlich undenkbar, aber das ist eben Kuba.
Es ist laut, es ist quirlig, (fast) jeder spricht dich an, es gibt bisher wenig Raum für Entspannung. Die Eigenarten dieses Landes haben mich in den ersten Tagen ziemlich überrollt. Kein Reiseführer und kein Internetforum konnten uns darauf vorbereiten, was uns wirklich hier erwartet. Kuba, das ist Individualtourismus für Fortgeschrittene, quasi 2.0 – eine Herausforderung. Wir brauchten einen halben Tag, um uns klar zu werden, ob wir die Herausforderung annehmen oder alle bisherigen Buchungen über Bord werfen und uns im nächsten All-inclusiv-Hotel einmieten wollen.
Wir haben keine Möglichkeit, zu telefonieren oder innerhalb des Landes SMS zu schreiben. Unsere deutsche SIM-Karte darf gerade mal Nachrichten nach Deutschland verschicken. Für alles andere fehlt uns die Erlaubnis, wie es die nette Computerstimme so schön auf Spanisch und Englisch erklärt. Dass unser Handy innerhalb des Landes nutzlos ist, hätte uns fast das geplante Treffen mit Simon, einem Freiwilligendienstler aus Stendal, in Havanna gekostet. Es gab zwar einen Treffpunkt und einen Zeitplan, aber wir sind stundenlang aneinander vorbeigelaufen. Am Ende haben wir uns doch gefunden, in dieser verrückten 2-Millionen-Stadt und es war eine Gebetserhörung!
Von Havanna wollten wir mit dem Bus weiter nach Westen reisen. Doch die Bustickets waren schon am Tag vorher ausverkauft. Zugtickets muss man zwei Wochen im Voraus buchen, ebenso Mietwagen. Und ob man dann am gewünschten Datum tatsächlich auch ein Auto zur Verfügung gestellt bekommt, das weiß keiner. Uns blieb nur die bis dahin unbekannte Reiseart des „taxi collectivo“. Ein Auto, vollgepackt bis unter’s Dach mit Leuten, die in die gleiche Richtung möchten. Man wird an der Unterkunft abgeholt und vor der Tür der Nächsten abgesetzt, das ist schon eine gute Sache. Von der Qualität des Fahrzeugs weiß man vorher nichts. Möglicherweise bekommt man ein modernes Auto mit Klimaanlage und Airbags, vielleicht aber auch einen rostigen Karren auf vier Rädern, in dem man mitsamt Gepäck auf einer schmalen Bank im Kofferraum sitzt. Wir bekamen letzteres und dazu noch einen Fahrer, der wahrscheinlich einen Preis für die schnellste Strecke und die lauteste Musik gewinnen wollte. Die Fahrt dauerte drei Stunden… Zum Schluss sind mir fast die Ohren abgefallen, aber wir sind angekommen.
Die Straßenverhältnisse lassen in weiten Teilen des Landes stark zu wünschen übrig und mit der Tiefe der Schlaglöcher wächst der Ego der Fahrer – so mein Gefühl. Wir haben noch ein paar Kilometer vor uns und hoffen wirklich auf entspannte und sichere Fahrten. Und auf Bustickets.
Die Preise in Kuba gleichen denen in Deutschland – zumindest für Touristen. Das liegt am System der zwei Währungen. Heute sind wir für 20cuc pro Person (18€ p.P.) mit einem taxi collectivo älteren Baujahrs (russischer Jeep mit Zweitaktmotor, fehlenden Scheiben, ohne Stoßdämpfer dafür aber mit aufgeklebtem Peugot-Zeichen) zu einem ziemlich einsamen Strand gefahren. Neun Plätze, neun Leute – und auf den letzten zehn Kilometern noch ein Kubaner hinten auf der Stoßstange. Außen, bei voller Fahrt durch die Schlaglöcher. Naja, zumindest konnte er in den halb geöffneten Kofferraum greifen und sich festhalten.
Das Wetter war etwas durchwachsen, aber trocken und der Strand wirklich so schön, wie versprochen. Nur zum Schnorcheln war die See leider zu rau.
In kubanische Verhältnisse übertragen war das, was wir gemacht haben, ungefähr so: Ein Touristenpaar nimmt sich in Deutschland ein Taxi von Berlin an die Ostsee für 1000€ pro Person, um dort im Dezember zu baden. (ein kubanischer Monatslohn liegt bei ca. 20cuc)
Schon verrückt, diese Europäer…
Trotz mancher Herausforderung können wir vom unabhängigen, individuellen Reisen nicht lassen. Man sieht so viel mehr und trifft auf Einheimische – und andere Reisende; aus Neuseeland, Mexico, England… und natürlich aus Deutschland. Eines hatten bisher alle gemein. Nämlich diese eine Frage: Habt ihr euch das Reisen in Kuba so schwierig vorgestellt? Nein, haben wir nicht.

Nachtrag: Es ist Sonntagmorgen, wir sitzen auf einem kubanischen Bürgersteig, laden Bilder hoch und warten auf ein englisch-amerikanisches Ehepaar aus Mexico, das uns zu einer Wandertour durch das touristisch wenig erschlossene Hinterland mitnehmen will. So gefällt uns das Reisen. 🙂

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