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Von Geburtstagen, Ruhestörungen und Linksabbiegern

Es ist Sonntag, der 18.03. – mein 30. Geburtstag! Irgendwie ein Tag wie jeder andere und irgendwie besonders, in nicht gerade schöner Art und Weise. Aber fangen wir von vorn an.

Hier in Jerusalem treffen wir meine jüngere Schwester, die gerade einen Freiwilligendienst in Israel macht. Wir haben beschlossen, den Tag auf uns zukommen zu lassen und tingeln gemeinsam durch die Altstadt. Grabeskirche, Klagemauer, Souk. In einem Café im muslimischen Viertel lassen wir uns nieder – gemeinsam mit einer Gruppe Frauen, Teil einer türkischen Reisegruppe. Eva und ich sitzen da und trinken arabischen Kaffee, während Sam versucht, unsere Kreditkarten in Gang zu bekommen, die uns unerklärlicherweise kein Geld mehr ausspucken.

Klagemauer

Wir kommen ins „Gespräch“ mit den Damen aus der Türkei. Besser gesagt, eine nette Oma möchte sich mit uns unterhalten, doch mangels Türkischkenntnisse unsererseits und Englischkenntnisse ihrerseits bleibt es bei Lächeln und Nicken.

Am späten Nachmittag genießen wir drei den Ausblick vom Ölberg. Als wir nach kurzer Rast im Garten Gethsemane und in der Kirche der Nationen wieder auf die Straße treten, ist alles voller Polizeisirenen. Die Straße zum Damaskustor ist gesperrt. Ein aufgeregter Taxifahrer erzählt, dass wir in keinem Fall in die Altstadt gehen sollen. Aber da liegt unser Hotel, also lassen wir uns nicht beirren, durchqueren das Kidrontal und gehen an der Mauer entlang vorbei am Tempelberg Richtung jüdisches Viertel. Überall Polizei. Das Militär räumt den Platz vor der Klagemauer, aber niemand hält uns auf. Im Hotel erfahren wir, dass es in der Altstadt eine Messerattacke mit zwei Toten gab. Gerüchten zufolge (die später nicht bestätigt wurden) war der Täter, der einen israelischen Wachmann angegriffen hatte, ein türkischer Tourist. Unweigerlich müssen wir an die nette Oma aus dem Café denken… Mein Geburtstag war gelaufen.

Auf dem Ölberg

Der nette Portier unseres Hotels versichert uns, dass man als Tourist immer, wirklich immer sicher sei in Israel. Vorausgesetzt, man ist als solcher erkennbar. Also kurze Hosen, Sonnenbrille und dämlicher Hut sind seine Styling-Empfehlung. Das kriegen wir sicherlich hin.

Da Jerusalem solche Attacken leider häufig erlebt und immer wieder zur Tagesordnung zurückkehrt, tun wir es der Stadt gleich und nehmen uns einen zweiten Sightseeing-Tag vor. Eigentlich hatten wir entschieden, den Mietwagen in Jerusalem stehen zu lassen und die meisten Wege zu Fuß oder mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu machen. Spontan entscheiden wir uns um, da wir meine Schwester Eva besuchen wollen. Das Problem an der Sache: Jerusalem hat alles. Kirchen, Synagogen, Moscheen, Windmühlen, Einkaufszentren, Hochhäuser, archäologische Ausgrabungsstätten, orthodoxe Juden auf E-Bikes, berittene Polizisten, Elektro-Dreiräder für die Altstadt – aber keine Linksabbiegerspuren. Gefühlt nie kann man links abbiegen, zumindest immer dann, wenn man es müsste. Es fühlt sich an, als spielen wir Reise nach Jerusalem – endlos unnötig im Kreis laufen und kurz vor dem Ziel zieht dir einer den Stuhl weg.

Yad Hashmona, judäische Berge

Die Stadt wirkt an diesem Tag etwas nervöser als sonst. Mehr Polizeipräsenz, mehr Militär, die Verkäufer in den Souks sind zurückhaltender und die Cafébesitzer schauen angespannt nach links und rechts, wenn um die nächste Ecke Rufe laut werden. In der Nacht wache ich von einem eigenartigen Geräusch auf, im ersten Moment klingt es, als würden Düsenjets über unsere Köpfe hinweg donnern. Stattdessen aber steht unter unserem Fenster ein LKW, den einige Juden mit Kippa und weißem Hemd mithilfe eines Hubwagens fleißig entladen – nachts um vier. Und als alle Paletten säuberlich nebeneinander an der Hauswand stehen und ich mich beruhigt wieder schlafen legen will, kommt der nächste LKW. Am nächsten Morgen stehen unter unserem Fenster außer einem Haufen Kisten und Kästen auch noch ein Haufen Schuljungen mit Zetteln, die die Waren sortieren und auf Handkarren und Kinderwagen packen. Allem Anschein nach bestellen die Bewohner der Altstadt bestimmte Produkte gesammelt im Großhandel und diese werden eben nachts angeliefert, denn da dürfen in ausgewählten Ecken auch motorisierte Fahrzeuge durch die Altstadt fahren. Aber maximal LKW’s, keine Düsenjets. Gott sei Dank!

Nach dem etwas denkwürdigen Besuch in der Grabeskirche, geprägt von religiösen Ritualen und Massentourismus, besuchen wir am nächsten Tag das Gartengrab, eine parkähnliche Anlage hinter dem muslimischen Busbahnhof. Eine Oase der Ruhe in der lauten, überfüllten und angespannten Stadt. Als eine Besucherin mit ernstem Gesichtsausdruck aus dem Steingrab, was große Ähnlichkeit mit der biblischen Beschreibung des Grabes von Jesus hat, tritt, lächelt der Reiseführer sie an und meint: Mach dir keine Sorgen, er ist nicht hier. Und an der schweren Holztür, die das Grab verschließt, steht die Botschaft, die alle Auf’s und Ab’s dieses Landes überstrahlt: He’s not here for he is risen!* In diesem Sinne: Frohe Ostern!

*Er ist nicht hier, er ist auferstanden!

See Genezareth

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